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Brandmauern gegen Krypto: Bedenken gegen Übernahme des Basler Krypto-Standards

Brandmauern gegen Krypto: Bedenken gegen Übernahme des Basler Krypto-Standards

07.03.2024|Hans Kuhn

Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (BCBS) hat im Dezember 2022 einen neuen Standard zur aufsichtsrechtlichen Behandlung von kryptobasierten Vermögenswerten, die von Banken gehalten werden (der "Basler Krypto-Standard"), verabschiedet.[1] Die Mitgliedsstaaten des Basler Ausschusses haben sich verpflichtet, ihn bis zum 1. Januar 2025 umzusetzen. Der Basler Krypto-Standard sieht für die meisten von Banken gehaltenen Krypto-Vermögenswerte prohibitive Kapitalanforderungen vor. Die Schweiz, eines der Gründungsmitglieder des Basler Ausschusses, hat nun die Umsetzung um mindestens ein Jahr verschoben.

Die Schweiz beherbergt nicht nur ein grosses Ökosystem von stark regulierten Krypto-Dienstleistern, darunter zwei Krypto-Banken. Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA) war auch die erste Aufsichtsbehörde, die spezifische Kapitalanforderungen für Krypto-Vermögenswerte aufstellte und ein Risikogewicht von 800 % und eine Risikolimite von 4 % des Gesamtkapitals vorschrieb. Die FINMA tat dies ohne spezifische Rechtsgrundlage in Form eines Schreibens an EXPERTSuisse.[2]

Prohibitive Anforderungen

Der Basler Krypto-Standard geht noch viel weiter. Er schreibt ein Risikogewicht von 1.250% für die meisten Kryptovermögenswerte und eine Obergrenze von 1% (aber keinesfalls mehr als 2%) des harten Kernkapitals einer Bank vor. Die Risikogewichtung von 1.250% ist die höchste, die die Basler Eigenkapitalvereinbarung vorsieht. Obwohl vom Basler Ausschuss als "konservative Behandlung" bezeichnet, führt es – je nach Grösse der Bank und unter Berücksichtigung der Pufferanforderungen –zu Eigenmittelanforderungen von 130% bis 200% des Buchwerts von Krypto-Vermögenswerten. Das Risikogewicht von 1.250% gilt nicht nur für Kryptowährungen, sondern auch für die meisten Stablecoins. Nach einem Vorschlag des Basler Ausschusses von Ende 2023 würde es auch für alle Krypto-Vermögenswerte gelten, die eine öffentliche Blockchain wie z. B. Ethererum nutzen.

Man sollte annehmen, dass der Basler Ausschuss in der Lage wäre, solche Anforderungen mit soliden Beweisen zu untermauern. Dem ist nicht so. Das einzige Papier, in dem die Risiken von Krypto-Assets für Banken erörtert werden, ist ein Arbeitspapier aus dem Jahr 2019.[3] Es wurde nie aktualisiert und ist nun in einem Positionspapier der Swiss Blockchain Federation (SBF) widerlegt worden.[4] Im BCBS-Arbeitspapier wurde viel Wert auf die Marktrisiken gelegt, die sich aus der erhöhten Volatilität von Krypto-Vermögenswerten ergeben. Das SBF-Positionspapier führt dazu aus, dass Kryptowährungen zwar traditionell eine hohe bis sehr hohe Volatilität aufwiesen, die aber seit 2020 deutlich zurückgegangen ist und nun mit der Volatilität von frühen Tech-Aktien wie Apple, Amazon, Microsoft oder Tesla vergleichbar ist. Kryptowährungen haben kein Kredit- oder Gegenparteirisiko, im Gegensatz zu Stablecoins, die wiederum keine besonders volatilen Vermögenswerte sind.

Verfassungswidrig und nicht technologieneutral

Der Zweck des Basler Krypto-Standards besteht also nicht so sehr darin, die Banken vor den Risiken zu schützen, die sich aus dem Halten von Krypto-Vermögenswerten ergeben. Vielmehr geht es darum, eine Brandmauer zwischen dem Bankensystem und der Kryptoindustrie zu schaffen. Es liegt auf der Hand, dass dieser Ansatz dem Grundsatz der technologieneutralen Regulierung (gleiches Geschäft, gleiche Risiken, gleiche Regeln) widerspricht. Er ist auch nicht mit der Strategie der Schweiz vereinbar, einen klaren Regulierungsrahmen für die Blockchain-Branche zu schaffen.

Das Positionspapier des SBF weist auch darauf hin, dass eine Übernahme des Basler Krypto-Standards mit der Schweizerischen Bundesverfassung[5] unvereinbar wäre. Die unterschiedslose Anwendung von prohibitiven Eigenkapitalanforderungen auf verschiedene Krypto-Vermögenswerte mit völlig unterschiedlichen Risikoprofilen verletzt den Grundsatz der Rechtsgleichheit (Art. 8 BV). Nach dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismässigkeit (Art. 5 BV) kann die vorgeschlagene Regelung nur gerechtfertigt werden, wenn sie geeignet und erforderlich ist, um ein öffentliches Interesse zu erreichen, und wenn sie den Betroffenen zumutbar ist. Es wird für die Behörden schwierig sein, Notwendigkeit und Geeignetheit von Kapitalanforderungen nachzuweisen, die weit über das maximale Verlustrisiko einer Bank hinausgehen. Die absoluten Obergrenzen für Kryptovermögenswerte verletzt die Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV), da Banken für jede Million Krypto-Vermögenswerte 50 oder 100 Millionen an CET1-Kapital halten müssten. Schliesslich argumentiert der SBF, dass es an einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage für die Umsetzung des Basler Krypto-Standards fehlt, weil gemäss Art. 4(2) BankG Mindestkapitalanforderungen nur "nach Massgabe der Geschäftstätigkeit und der Risiken" festgelegt werden dürfen.[6]

Übernahme verzögert sich

Das Positionspapier des SBF kommt deshalb zum Schluss, dass eine Übernahme des Basler Krypto-Standards durch die Schweiz weder politisch/strategisch sinnvoll noch rechtlich machbar ist. Der SBF anerkennt, dass das Halten von Krypto-Vermögenswerten erhöhte Risiken für die Banken mit sich bringen kann, die von der bestehenden Regulierung möglicherweise nicht vollständig abgedeckt werden, und unterstützt daher eine massgeschneiderte Regulierung, um die tatsächlichen Risiken zu erfassen und zu begrenzen. Die Schweizer Behörden haben noch nicht auf diesen Vorschlag reagiert, haben aber angekündigt, dass sie die Umsetzung des Basler Krypto-Standards um mindestens ein Jahr verschieben werden.

Während sich die Analyse des SBF auf das Schweizer Recht konzentriert, ist die Frage der strategischen Inkompatibilität auch in anderen Rechtsordnungen auf dem Tisch. So erlaubt die EU-Verordnung über Märkte für Krypto-Assets (MiCA) Kreditinstituten die Erbringung von Krypto-Asset-Dienstleistungen mittels einer einfachen Notifizierung (Art. 60 MiCA). Die Auferlegung von Eigenkapitalanforderungen, die Kreditinstitute faktisch daran hindern, in das Kryptogeschäft einzusteigen, steht mit dieser Regelung in einem klaren Widerspruch.

 

[1] BCBS, Prudential treatment of cryptoasset exposures (16. Dezember 2022). https://www.bis.org/bcbs/publ/d545.htm
[2]  Brief der FINMA an EXPERTSuisse v. 15. Oktober 2018 (unveröffentlicht).
[3] BSBS, Entwurf einer aufsichtsrechtlichen Behandlung für Krypto-Assets (12. Dezember 2019). https://www.bis.org/bcbs/publ/d490.htm
[4] Swiss Blockchain Federation, Übernahme des Basler Krypto-Standards durch die Schweiz, Positionspapier (23. Januar 2024). https://blockchainfederation.ch/downloads/
[5]  https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1999/404/en
[6] https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/51/117_121_129/de

FINMA Staking

FINMA veröffentlicht Aufsichtsmitteilung 08/2023 zu Staking

FINMA veröffentlicht Aufsichtsmitteilung 08/2023 zu Staking

20.12.2023|Hans Kuhn

Die FINMA hat die Aufsichtsmitteilung 08/2023 zu ihrer Aufsichtspraxis in Sachen Staking veröffentlicht. Sie kommt darin auf ihre im Sommer 2023 angekündigte Praxisänderung zurück, nach der gestakte Vermögenswerte als Publikumseinlagen hätten gelten sollen und für Staking-Dienstleistungen deshalb grundsätzlich eine Bankbewilligung erforderlich gewesen wäre (siehe dazu unseren Post). Diese Praxisänderung ist auf einhellige Ablehnung der Kryptoindustrie gestossen. In der Aufsichtsmitteilung stellt die FINMA nunmehr klar, dass gestakte kryptobasierte Vermögenswerte grundsätzlich als Depotwerte qualifizieren und dass Staking durch unbewilligte Marktteilnehmer weiterhin möglich ist.

Die Aufsichtsmitteilung gilt nur für das sogenannte Custodial Staking, wenn der Kunde die kryptobasierten Vermögenswerte auf einen Dienstleister überträgt. Beim Non-Custodial Staking behalten die Kunden die ausschliessliche Kontrolle über die Withdrawal Keys, weshalb auch keine Verwahrung oder Entgegennahme von Vermögenswerten durch Dritte erfolgt; aufsichtsrechtliche Fragen stellen sich in diesem Zusammenhang nicht. Eine Untervariante des Custodial Staking sind die sog. Staking-Ketten, bei denen der Verwahrer die zu stakenden Vermögenswerte an einen Dritten weitergibt, der den Validator Node betreibt und über die Withdrawal Keys verfügt. Schliesslich ist auch klar, dass eine Absonderbarkeit nicht gegeben ist, wenn der Verwahrer auf eigene Rechnung Staking betreibt. Bei solchen Konstellationen ist von einem Eigengeschäft im Sinne von Art. 1a Abs. 1 Bst. b BankG auszugehen.

Grundsätzlich anerkennt die FINMA, dass gestakte Vermögenswerte beim Custodial Staking absonderbar sind. Die Rechtsgrundlagen und die Voraussetzungen, die dafür eingehalten werden müssen, unterscheiden sich je nachdem.

Direct Staking

Beim Direct Staking betreibt ein Institut das Staking selbst und hat auch die Verfügungsmacht über die Withdrawal Keys zur Rücknahme der gesperrten kryptobasierten Vermögenswerte inne. Die FINMA geht nach aktueller Einschätzung davon aus, dass die kryptobasierten Vermögenswerte unter den folgenden Voraussetzungen nach Art. 16 Abs. 1bis BankG absonderbar sind:

  • spezifische Anweisung des Kunden über die Art und Anzahl der zu stakenden kryptobasierten Vermögenswerte;
  • die auf einer bestimmten Validator-Adresse und nach dem Unstaking auf einer bestimmten Withdrawal-Adresse platzierten kryptobasierten Vermögenswerte können eindeutig den berechtigten Kunden zugeordnet werden;
  • die Kunden sind transparent und eindeutig über sämtliche Risiken aufzuklären (inkl. Slashing, Lock-up-Periode und Risiken im Zusammenhang mit den bestehenden Rechtsunsicherheiten im Konkursfall);
  • Massnahmen zur Minderung der operationellen Risiken infolge des Betriebs eines Validator Nodes (inkl. Business Continuity Management), namentlich zur Vermeidung von Slashing und weiteren Strafen; sowie
  • Erstellung eines Digital Assets Resolution Package (DARP).
     

Unter diesen Voraussetzungen sind gestakte Vermögenswerte im Konkurs eines von der FINMA beaufsichtigten Instituts als Depotwerte nach Art. 16 Ziff. 1bis BankG abzusondern.

Staking-Ketten

Delegiert ein Institut den Betrieb des Validator Nodes im Rahmen an einen Dritten (andere Banken oder Staking Pool-Betreiber), so ist Art. 16 Ziff. 1bis BankG nicht anwendbar, da das Institut bloss eine Forderung gegen den Drittanbieter hat. Diese kann als als treuhänderisch verwahrte Forderung im Sinne von Art. 16 Ziff. 2 BankG und damit als Depotwert behandelt werden, wenn die Richtlinien der Bankiervereinigung betreffend Treuhandanlagen eingehalten werden. Dazu müssen gemäss Aufsichtsmitteilung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein:

  • die Gegenparteirisiken werden durch Auswahl eines prudenziell beaufsichtigten Instituts mit guter Bonität beschränkt;
  • mittels einer spezifischen Due Diligence ist sichergestellt, dass der Drittanbieter nicht unbewilligt tätig ist und der Drittanbieter die relevanten Withdrawal Keys selbst hält;
  • der Drittanbieter bezeichnet die Validator-Adressen (z.B. durch ein internes Register), auf der er die kryptobasierten Vermögenswerte der Verwahrer hält und teilt diese dem Verwahrer mit;
  • der Drittanbieter hat sämtliche nötigen Massnahmen getroffen, um die operationellen Risiken hinsichtlich des Validator Node-Betriebs (Validierungsfehler oder Offline-Status) zu beschränken, weitere Strafen gegen den Validator auszuschliessen und die Geschäftskontinuität sicherzustellen.
  • Werden Anbieter im Ausland beigezogen, so müssen diese ausserdem einer gleichwertigen prudentiellen Aufsicht unterstehen und hinsichtlich die konkursrechtliche Behandlung von verwahrten kryptobasierten Vermögenswerten die gleiche Rechtssicherheit wie die Schweiz bieten.

Staking durch unbewilligte Marktteilnehmer

Die FINMA stellt in der Aufsichtsmitteilung ferner fest, dass Marktteilnehmer ohne bankengesetzliche Bewilligung weiterhin das Custodial Direct Staking im Auftrag und auf Rechnung der Kunden anbieten können, sofern die gestakten kryptobasierten Vermögenswerte individuell verwahrt werden. Dazu ist erforderlich, dass pro Kunde eine separate und zuordenbare Blockchain-Adresse (auf den Ebenen der ursprünglichen Verwahrungsadresse, der Staking-Adresse und der Withdrawal-Adresse) besteht und der Anbieter selbst über die Withdrawal Keys verfügt. Unter diesen Voraussetzungen geht die FINMA davon aus, dass gestakte Vermögenswerte nach Art. 242a SchKG absonderbar sind. Selbstverständlich unterstehen diese Marktteilnehmer dem Geldwäschereigesetz und müssen deshalb Mitglied einer Selbstregulierungsorganisation sein.

Würdigung

Nachdem die Ankündigung einer Praxisänderung im Sommer 2023 für grosse Unruhe gesorgt hatte, ist die Klarstellung der Rechtslage durch die FINMA sehr zu begrüssen. Die Einstufung von gestakten Vermögenswerten als Publikumseinlägen wäre die schlimmstmögliche Lösung gewesen. Sie hätte nicht nur den Kunden nichts genutzt, sondern hätte es auch den schweizerischen Instituten verunmöglicht, Staking zu wettbewerbsfähigen Bedingungen anzubieten.

Zu bedauern ist, dass die Aufsichtsmitteilung die Unsicherheiten hinsichtlich der Aus- bzw. Absonderbarkeit über Gebühr betont. Wie unter anderem die Blockchain Federation in ihrem Staking-Rundschreiben überzeugend dargelegt hat, ist Aus- bzw. Absonderbarkeit auch beim Custodial Staking gegeben, sofern sich der Staking Dienstleister vertraglich verpflichtet hat, die Verfügungsmacht über die Token aufrechtzuerhalten und diese ständig vorhanden sind, z.B. indem ein ständiger Zugriff auf die Private Keys gewährleistet ist. Die Bedenken der FINMA sind umso weniger begründet, als sie in einem Bankenkonkurs als zuständige Konkursbehörde selber über die Auslegung von Art. 16 Abs. 1bis BankG entscheiden würde.

Die vollständige Aufsichtsmitteilung kann hier heruntergeladen werden. Bei Fragen zum Thema Staking steht ihnen unser Partner Dr. Hans Kuhn gerne zur Verfügung.

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Kapitaleinlagen bei Fintechs

Kapitaleinlagen bei Fintechs

04.12.2023|Sebastian Wälti

Das EHRA veröffentlichte eine Praxismitteilung, wonach Kapitaleinlagen gemäss Art. 633 Abs. 1 OR auch bei Personen nach Art. 1b BankG (sog. «Fintechs») hinterlegt werden können.

Grund für diese Klarstellung ist die Anfang Jahr in Kraft getretene Aktienrechtsrevision, wonach der Wortlaut von Art. 633 Abs. 1 OR neu von einer Bank im Sinne von Art. 1 Abs. 1 BankG spricht. Mit der erfreulichen Praxismitteilung hat das EHRA bestätigt, dass diese Bestimmung weit auszulegen ist und (wie bisher) auch Fintechs sogenannte Kapitaleinzahlungskonti (KEK) eröffnen können.

Lawside (Dr. Hans Kuhn) hat die Yapeal AG in der Kommunikation mit dem Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) unterstützt.

Ausblick: Gemäss der Botschaft zur Änderung des Bankengesetzes im Hinblick auf die Einführung einer staatlichen Liquiditätssicherung (Public Liquidity Back-stop, PLB, BBl 2023 2165) soll die bestätigte Praxis in die massgebenden Gesetzesbestimmungen (Art. 633 Abs. 1 und Art. 653e Abs. 2 OR) aufgenommen werden.

Die vollständige Praxismitteilung kann hier heruntergeladen werden.