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25.07.2025|Sebastian Wälti

Finanzierungsstrategien für Schweizer Unternehmen: Ein Vergleich von Eigen- und Fremdkapital

Die Gründung eines Unternehmens in der Schweiz bietet einzigartige Chancen, darunter eine robuste Wirtschaft und ein starkes Startup-Ökosystem. Allerdings steht jedes Schweizer Startup oder KMU (kleines und mittleres Unternehmen) irgendwann vor der entscheidenden Frage der Finanzierung. Das Verständnis der verschiedenen Optionen ist entscheidend, um fundierte Entscheidungen treffen zu können, die mit der Geschäftsstrategie und den Wachstumsplänen im Einklang stehen. In diesem Artikel werden die beiden wichtigsten Finanzierungsarten – Fremdkapital und Eigenkapital – sowie ihre Vor- und Nachteile und steuerlichen Auswirkungen erläutert.

1. Fremdkapitalfinanzierung

Was ist Fremdkapitalfinanzierung? Bei der Fremdkapitalfinanzierung wird Geld geliehen, das über einen bestimmten Zeitraum mit Zinsen zurückgezahlt werden muss. Zu den gängigen Fremdkapitaloptionen für Schweizer KMU gehören Darlehen, die in gewöhnliche Darlehen, Partiarische Darlehen und Wandeldarlehen unterteilt werden können.

  • Darlehen: Darlehen sind in der Schweiz weit verbreitet und reichen von kurzfristigen Darlehen für den Betriebskapitalbedarf bis hin zu langfristigen Darlehen für grössere Investitionen. Einige Darlehensgeber verlangen Sicherheiten.
  • Partiarische Darlehen: Darlehen können als partiarische Darlehen strukturiert werden. Das Besondere an dieser Darlehensform ist die Vereinbarung einer erfolgsabhängigen Vergütung: Zusätzlich zu oder anstelle von Zinsen partizipiert der Darlehensgeber am Erfolg des Darlehensnehmers und erhält z.B. eine Anteil des Gewinns.
  • Wandeldarlehen: Hierbei handelt es sich um Darlehen, die zu einem späteren Zeitpunkt, oft bei Erreichen bestimmter Ziele oder in späteren Finanzierungsrunden, in Eigenkapital umgewandelt werden können. Wandeldarlehen können in frühen Phasen, in denen eine Bewertung schwierig ist, oder als Überbrückungsfinanzierung zwischen Finanzierungsrunden vorteilhaft sein. Sollen Wandlungsrechte geschaffen werden, die ohne Beteiligung der bestehenden Aktionäre ausgeübt werden können, ist dies nur möglich, wenn in Statuten eine Kapitalerhöhung aus bedingtem Kapital vorgesehen ist. Eine solche Bestimmung muss vor der Gewährung der Wandlungsrechte im Handelsregister eingetragen sein (siehe Art. 653b Abs. 3 Schweizerisches Obligationenrecht [OR]).

Regulatorische Beschränkungen: Bei der Finanzierung eines Unternehmens mit Darlehen sind bestimmte regulatorische Beschränkungen zu beachten, da Darlehen rückzahlbare Verbindlichkeiten sind und somit unter die Definition der Publikumseinlagen im Sinne des Bankengesetzes fallen. Die gewerbsmässige Entgegennahme von Publikumseinlagen ist eine Tätigkeit, die einer Banklizenz bedarf. Gewerbsmässigkeit im Sinne der Bestimmung liegt vor, wenn mehr als 20 Publikumseinlagen (oder sammelverwahrte kryptobasierte Vermögenswerte) entgegengenommen werden oder wenn eine Person sich öffentlich dafür empfiehlt, Publikumseinlagen anzunehmen (auch wenn die Zahl von 20 nicht erreicht wird; Art. 6 Bankverordnung). Die Bankenverordnung enthält eine Reihe von Safe-Harbor-Regeln, insbesondere für Anleihen (siehe Art. 5 Abs. 3 lit. b Bankenverordnung). Um sich auf diese Ausnahme berufen zu können, muss der Emittent bestimmte Mindestangaben machen und seinen Jahresabschluss von einem qualifizierten Abschlussprüfer prüfen lassen (Art. 727 Abs. 1 Nr. 1 OR).

Vor- und Nachteile der Fremdfinanzierung:

Vorteile:

  • Beibehaltung des Eigentums: Unternehmer behalten die volle Kontrolle über ihr Unternehmen, da mit einer Fremdfinanzierung keine Abgabe von Beteiligungsrechten und damit Stimmrechten verbunden ist.
  • Vorhersehbarkeit: Die Rückzahlung von Darlehen ist vorhersehbar, was die Liquiditätsplanung erleichtert.
  • Steuervorteile: In der Schweiz sind die für Darlehen gezahlte Zinsen in der Regel steuerlich abzugsfähig, was den zu versteuernden Gewinn des Unternehmens reduzieren kann.

Nachteile

  • Rückzahlungsverpflichtungen: Schulden müssen unabhängig von der Rentabilität des Unternehmens zurückgezahlt werden, was die Liquidität belasten kann.
  • Sicherheitsanforderungen: Viele Darlehensgeber verlangen persönliche Bürgschaften oder Sicherheiten, die möglicherweise nicht ohne Weiteres verfügbar sind.
  • Auswirkungen auf die Bilanz: Die Aufnahme von Fremdkapital kann zu einer Überschuldung des Unternehmens in der Bilanz führen. In der Praxis ist es daher oft ratsam, einen sogenannten Rangrücktritt in den Darlehensvertrag aufzunehmen. Durch eine solche Klausel wird die Forderung des Darlehensgebers gegenüber allen anderen Gläubigern bis zur Höhe der Überschuldung nachrangig gestellt und seine Forderungen werden aufgeschoben (Fälligkeit und Zinsforderungen). Durch einen entsprechenden Rangrücktritt kann eine Meldung an den Richter vermieden werden (Art. 725b Abs. 4 Nr. 1 OR).

Steuerliche Folgen der Fremdfinanzierung: Zinszahlungen für Schulden sind in der Schweiz steuerlich abzugsfähig, was für KMU einen wertvollen Steuervorteil darstellen kann. Der Abzug der Zinsen reduziert den steuerpflichtigen Gewinn des Unternehmens und senkt damit die Unternehmenssteuerbelastung. Eine übermässige Fremdfinanzierung kann jedoch als verdecktes Eigenkapital (siehe Kreisschreiben Nr. 6 der Eidgenössischen Steuerverwaltung) eingestuft werden, was zu zusätzlichen Steuerbelastungen führt.

2. Eigenkapitalfinanzierung

Was ist Eigenkapitalfinanzierung? Bei der Eigenkapitalfinanzierung wird Kapital durch den Verkauf von Aktien oder Partizipationsscheinen (stimmrechtslose Beteiligungsrechte) des Unternehmens an Investoren beschafft. Dies ist in der Welt der KMU üblich und mögliche Investoren sind Risikokapitalgesellschaften (VC), Angel-Investoren, strategische Investoren und insbesondere in der Anfangsphase oftmals auch Freunde und Familienangehörige.

  • Risikokapitalgeber (VC): Risikokapitalgeber gewähren Finanzmittel im Austausch gegen Unternehmensanteile. Dies oft in Verbindung mit strategischer Beratung und Mentoring. Diese Option eignet sich für wachstumsstarke Startups, die grosse Investitionen benötigen.
  • Angel-Investoren: Hierbei handelt es sich um vermögende und in der Regel geschäftserfahrene Personen, die im Austausch für eine Beteiligung am Unternehmen investieren. Sie bringen oft wertvolle Branchenkenntnisse und Netzwerke mit.
  • Strategische Investoren: Dies sind Investoren, die in Startups oder kleinere Unternehmen investieren, um ihre strategischen Ziele zu erreichen, anstatt sich ausschliesslich auf die finanzielle Rendite zu konzentrieren.

Aktiengesellschaft: Wenn Eigenkapital ausserhalb des Gründungsteams beschafft werden soll, ist in der Regel die Gründung einer Aktiengesellschaft erforderlich. Darüber hinaus ist sorgfältig zu überlegen, wer in den Kreis der Aktionäre aufgenommen werden soll. Denn Aktionäre haben im Gegensatz zu Fremdkapitalgebern neben dem Stimmrecht in Aktionärsversammlungen und bestimmte Kontroll- und Einsichtsrechte.

Aktionärbindungsvertrag: Spätestens bei der Ausgabe von Anteilen an Dritte ist der Abschluss eines Aktionärsbindungsvertrags ratsam. Ein Aktionärsbindungsvertrag mit den üblichen Klauseln ist in der Regel Grundvoraussetzung von professionellen Investoren, die eine Investition in Betracht ziehen. Wenn bereits ein erweiterter Kreis von Aktionären besteht, kann es schwierig sein, einen einheitlichen Aktionärsbindungsvertrag abzuschliessen, da die Zustimmung aller Aktionäre erforderlich ist, unabhängig davon, wie gering ihr Anteil ist. Dies kann dazu führen, dass sich bestimmte Aktionäre beispielsweise in einer Exit-Situation querstellen.

Partizipationsscheine: Für einige Gesellschaften kann die Ausgabe von Partizipationsscheinen eine interessante Alternative sein, da Partizipationsrechte nicht mit Stimmrechten verbunden sind.

Vor- und Nachteile der Eigenkapitalfinanzierung:

Vorteile:

  • Keine Rückzahlungsverpflichtung: Die Eigenkapitalfinanzierung erfordert keine Rückzahlung, was den Liquiditäts-Druck in der Anfangsphase verringern kann.
  • Zugang zu Fachwissen: Investoren bringen oft wertvolle Erfahrungen, Branchenkenntnisse und Netzwerke mit, die das Wachstum des Unternehmens fördern können.
  • Interessenausgleich: Investoren sind am Erfolg des Unternehmens beteiligt und richten ihre Interessen an denen der Gründer aus.

Nachteile:

  • Verwässerung der Eigentumsverhältnisse: Die Gründer geben einen Teil ihrer Eigentumsrechte und ihrer Kontrolle über das Unternehmen ab, was ein Nachteil sein kann, wenn sie vollständige Kontrolle behalten wollen.
  • Komplexer Bewertungsprozess: Die Bewertung eines Startups kann schwierig sein, insbesondere für Unternehmen in der Anfangsphase.
  • Potenzial für Meinungsverschiedenheiten: Es kann zu Konflikten zwischen Gründern und Investoren kommen, insbesondere wenn strategische Entscheidungen auseinandergehen.

Steuerliche Folgen der Eigenkapitalfinanzierung: Die Eigenkapitalfinanzierung in der Schweiz unterliegt besonderen steuerlichen Regeln. Die durch Eigenkapital aufgenommenen Mittel sind für das Unternehmen nicht als Einkommen steuerpflichtig. Es fällt jedoch eine Stempelsteuer von 1,0 % auf die Ausgabe von inländischen Aktien und anderen Beteiligungsrechten an, wobei ein Freibetrag von 1 Million CHF gewährt wird. Im Zusammenhang mit der Erhöhung des Eigenkapitals können bestimmte Meldepflichten gegenüber der Eidgenössischen Steuerverwaltung bestehen. Dividendenzahlungen an Investoren unterliegen einer Quellensteuer von 35 %, die unter bestimmten Voraussetzungen zurückgefordert werden kann (im internationalen Verhältnis sind die entsprechenden Doppelbesteuerungsabkommen zu beachten). Die steuerlichen Konsequenzen auf Ebene des Investors beurteilen sich grundsätzlich nach dem Steuerrecht an dessen Wohnsitz.

3. Prospektpflicht

Wenn Forderungs- oder Beteiligungspapiere, die als Effekten qualifizieren, öffentlich angeboten werden, muss der Emittent einen Prospekt erstellen und von einer der schweizerischen Prospektprüfstellen genehmigen lassen. Die Anforderungen sind in Artikel 35 ff. des Finanzdienstleistungsgesetzes (FIDLEG) festgelegt. Eine Reihe von Ausnahmen gilt, unter anderem wenn die Effekten nur professionellen Kunden oder weniger als 500 Anlegern angeboten werden, wenn der Mindestzeichnungsbetrag mindestens CHF 100'000 beträgt oder wenn das öffentliche Angebot einen Gesamtwert von CHF 8 Millionen über einen Zeitraum von 12 Monaten nicht übersteigt (Art. 36 FIDLEG). Das Schweizer Prospektrecht entspricht weitgehend der EU-Prospektverordnung. Von einer zuständigen EU-Behörde genehmigte Prospekte kann man in der Schweiz anerkennen lassen. Umgekehrt funktioniert das aber nicht.

4. Vergleich von Fremd- und Eigenkapital: Was ist vorteilhafter für Schweizer KMU und Startups?

Die Wahl zwischen Fremd- und Eigenkapitalfinanzierung hängt von der aktuellen Phase des Unternehmens, seinem Wachstumspotenzial und den langfristigen Zielen der Gründer ab. Unternehmen mit einem klaren Weg zur Rentabilität und stabilen Cashflows ziehen möglicherweise eine Fremdfinanzierung vor, um die volle Kontrolle zu behalten. Auf der anderen Seite könnten wachstumsstarke Unternehmen, die erhebliches Kapital und Fachwissen benötigen, eher zu einer Eigenkapitalfinanzierung tendieren.

Ein hybrider Ansatz, der Fremd- und Eigenkapital kombiniert, um die Vorteile beider Finanzierungsformen auszugleichen, kann ebenfalls sinnvoll sein. So kann ein Unternehmen beispielsweise zunächst von einer Fremdfinanzierung profitieren und diese später in Eigenkapital umwandeln, um so dem Wachstumskurs des Unternehmens gerecht zu werden.

Fazit: Finanzierung auf die Bedürfnisse des Unternehmens zuschneiden

Die Navigation durch die Finanzierungslandschaft ist für Schweizer Startups und KMU, die ein nachhaltiges Wachstum anstreben, von entscheidender Bedeutung. Fremd- und Eigenkapital haben jeweils ihre eigenen Vorteile, Risiken und steuerlichen Konsequenzen, sodass die Wahl des richtigen Ansatzes von entscheidender Bedeutung ist. Die Beratung durch Rechts- und Finanzberater, die mit den Schweizer Vorschriften vertraut sind, kann dazu beitragen, dass die Finanzierungsstrategie des Unternehmens mit den Geschäftszielen übereinstimmt und die Steuerbelastung minimiert wird. Mit der richtigen Finanzierung kann sich das Management nämlich auf das Wesentliche konzentrieren: den Aufbau und die Skalierung des Unternehmens.

Bei Fragen oder Anmerkungen zu Finanzierungsmöglichkeiten wenden Sie sich bitte an unsere Experten Sebastian Wälti oder Hans Kuhn.

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